Yin Yoga – Teil 2

Im ersten Teil der Yin Yoga Reihe haben wir uns angeschaut, was Yin Yoga eigentlich ist, woher es kommt und warum bzw. wie wir es praktizieren. In diesem Artikel steigen wir tiefer in die Anatomie des Yin Yoga ein. 

Du lernst, was funktionale und ästhetische Anatomie bedeutet und worin der Unterschied zwischen beiden Konzepten liegt. Anhand dessen zeige ich dir außerdem, warum Yin Yoga für jeden Menschen etwas ist und wie du deinen Körper besser kennen- und verstehen lernst. Im zweiten Teil des Beitrags beleuchten wir das Thema Bindegewebe und Faszien näher, denn genau dieses Gewebe sprechen wir mithilfe der Yin Praxis an.

 

Yin Yoga Anatomie

Denken wir an Yoga und Anatomie, sehen wir perfekt geformte, junge Körper vor uns, die grazil von einer in die nächste Yogahaltung fließen. Sie scheinen vollkommen beweglich und gleichzeitig mit viel Kraft ausgestattet zu sein. Das ist im Yin Yoga natürlich schon einmal insofern anders, da wir hier keine Flows machen, sondern für mehrere Minuten still in Haltungen verweilen. 

Doch auch hier können vermeintlich perfekte Bilder auftauchen – Yogalehrerinnen, die in der weiten Vorbeuge ihre Nasenspitze zur Matte bringen und ihren Schülern das Gefühl geben, genau das sollte das Ziel sein. So ist es nicht. Jeder Körper ist anders und genau so darf und soll es sein. Die Knochenstruktur eines jeden Menschen ist vollkommen verschieden und so kann es jedem von uns leichter oder schwerer fallen, eine Haltung einzunehmen.

Genau das ist es aber, was Yin Yoga so besonders und einzigartig macht. Jede Haltung darf bei jedem Menschen unterschiedlich sein. Denn hier geht es nicht um Ästhetik. Es geht darum, wie sich die Haltung für dich anfühlt. 

 

Ästhetische Anatomie

Die ästhetische Anatomie wurde geboren, als Yoga in den Westen überschwappte. Eine große Nachfrage nach dieser Praxis erforderte eine einheitliche Anleitung der Haltungen, denn meist wurde eine Gruppenklasse von 20 Teilnehmern oder mehr unterrichtet. So wurde es notwendig, eine fast schon “starre” Ausführung anzuleiten, die oft die Frage nach gesund oder ungesund, richtig oder falsch aufwarf.

Genau das kennen wir auch aus traditionellen Yoga Stilen wie dem Hatha Yoga. Auch hier wurde bereits vor mehreren Tausend Jahren auf diese Art und Weise unterrichtet und wird es heute noch. So soll im Krieger 2 beispielsweise das Knie im rechten Winkel sein und über zweitem und drittem Zeh ausgerichtet sein. Ist das relevant? Ich glaube inzwischen nicht mehr. Wenn es sich für dich besser anfühlt, dein Knie leicht nach außen fallen zu lassen und dadurch keine Verletzungen entstehen, warum sollte das nicht genauso gut sein?

Hier kommen wir zu der Frage, die mir schon so häufig von meinen Schülern gestellt wurde: Warum komme ich nicht in bestimmte Haltungen? Ich übe und übe, aber ich schaffe es nicht, meine Knie im herabschauenden Hund zu strecken. Meine Antwort? Für die meisten Menschen sind bestimmte Haltungen anatomisch schlicht nicht möglich. Hier setzt die funktionale Anatomie an.

 

Funktionale Anatomie

Die funktionale Anatomie fragt nicht danach, wie eine Haltung aussieht und ob Knie und Füße perfekt ausgerichtet sind. Sie geht von der Frage aus: Wie fühlt sich die Haltung für dich an? Wie viel mehr Leichtigkeit und Freude würde deine Praxis erlangen, wenn du das perfekte Aussehen einer Haltung außen vor lassen würdest und nur nach deinem Gefühl gehen darfst?

Im Yin Yoga wollen wir den Energiefluss im Körper anregen, sodass Chi (unsere Lebensenergie) wieder frei fließen kann. Genau das brauchen wir für unsere Gesundheit. Für diesen freien Energiefluss nehmen wir bestimmte Haltungen ein, um in unserem Zielbereich (Target Areal) das Gewebe positiv zu “stressen”. Ob wir dann im sitzenden Schmetterling den Oberkörper nach vorne ablegen oder einfach im Sitzen die Knie auseinanderfallen lassen, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist, dass du eine leichte Dehnung im Zielbereich wahrnimmst. Wie das von außen aussieht, ist vollkommen zweitrangig.

Warum Yin Yoga für jeden Menschen etwas ist

Vermutlich kannst du dir diese Fragen nun selbst beantworten. Generell bin ich der Ansicht, dass Yoga für JEDEN Menschen da ist, denn Yoga besteht aus so viel mehr als der rein körperlichen Praxis auf der Matte. Gerade im Yin Yoga haben wir die Möglichkeit, unserem Körper genau das zu geben, was er für eine Haltung benötigt. Wir können jede Position an unsere Bedürfnisse anpassen. Wir können uns Hilfsmittel zur Unterstützung nehmen. Und wir können andere Haltungen wählen, die für uns zugänglicher sind, solange wir die Empfindung im Zielbereich spüren. Aus genau diesen Gründen ist Yin Yoga auf seine ganz sanfte Weise für alle Menschen da.

Lerne deinen Körper zu verstehen

Erlaube dir, in deiner Yin Praxis ganz ins Spüren zu gehen. Schaue nicht nach links und rechts, sondern richte den Blick nach innen und bleibe bei dir. Wie fühlt sich die Haltung für dich an? Wo sind aufgrund deiner Knochenstruktur deine Grenzen (Kompression)? Wo spürst du eine Einschränkung deiner Bewegungsfreiheit durch verklebte Faszien (Spannung)? Zwinge dich nicht in Haltungen hinein, sondern nimm vielmehr die natürlichen Grenzen deines Körpers wahr. Genau DAS ist Yin Yoga.

 

Faszien im Yin Yoga

Ein wichtiger Bestandteil im Yin Yin Yoga ist das Fasziengewebe. Genau dieses möchten wir mithilfe der Praxis “stressen”, das heißt in dem jeweiligen Bereich eine Sensation spüren. Unsere Faszien brauchen diesen Stress, um gesund zu bleiben und nicht zu verkleben. Doch lass uns einmal ganz vorne beginnen: Was ist das Bindegewebe eigentlich und was sind Faszien?

 

Das Bindegewebe

Unser Bindegewebe ist ein faseriges Gewebe, das Knochen, Fettgewebe, Sehnen, Faszien, Blut, Knorpelgewebe und Bänder umfasst. Genau dieses Gewebe (das sogenannte Yin Gewebe) “stressen” wir innerhalb der Yin Yoga Praxis. Es geht also nicht ausschließlich um die Faszien, was häufig angenommen wird. Ist das Bindegewebe gesund, so ist es stark und gleichzeitig geschmeidig.

Das Bindegewebe hat in unserem Körper im Grunde drei Funktionen:

  1. Abwehr
  2. Ernährung
  3. Stütze

Wir finden es zwischen Geweben und Organen. Es ist eine Art Wasserspeicher im Körper und eine Schutzhülle. Außerdem dient es zur Abwehr von Krankheitserregern.

 

Was sind Faszien?

Unser ganzer Körper besteht aus Faszien. Im Grunde kann man hier nur von einer Faszie sprechen, denn der Körper bildet insgesamt eine große Faszie. Der Begriff lässt sich vom lateinischen Wort “fascia” ableiten, was in etwa “Band” oder “bündeln” bedeutet. Meinen Yogaschülerin erkläre ich die Faszie in etwa so: Wenn du eine Orange aufschneidest, findest du zwischen dem Fruchtfleisch und um das Fleisch herum eine weiße, netzartige Schicht. Diese Schicht ist die Faszie.

Use it or lose it:

Bei Faszien gilt: Nutzt / beanspruchst du sie nicht, verlierst du sie. Denn unsere Faszien benötigen regelmäßige Belastung, um gesund zu bleiben und nicht zu degenerieren. Neben zu wenig Bewegung kann aber auch zu viel Bewegung zu Verklebungen und Verhärtungen führen – die typischen Verspannungen. 

 

Funktionen:

  • Speicher von Emotionen und Gefühlen: In unseren Faszien befinden sich unzählige Nervenenden. Dadurch speichern sich hier Emotionen und Gefühle ab.
  • Schutz: Die Faszien haben eine wichtige Schutzfunktion, indem sie unsere Organe, Muskeln, Knochen, Sehnen, Bänder und Blutgefäße umhüllen.
  • Verbindung: Schließlich stellen sie eine Verbindungsstelle des gesamten Körpers dar, da sie – wie du bereits gelernt hast – im Grunde eine einzige Faszie sind.

Wie wirkt Yin Yoga auf die Faszien?

Unsere Faszien benötigen einerseits Druck und andererseits Dehnung, um gesund zu bleiben. Im Yin Yoga “stressen” wir das fasziale Gewebe und lassen es anschließend ruhen. Dadurch geben wir den Faszien genau die Beanspruchung, die sie benötigen, um hydriert zu sein – Faszien bestehen ca. zu 75 Prozent aus Wasser. Faszien weisen eine gitterförmige Struktur auf. Mit bloßem Auge lässt sich diese kaum erkennen, doch im Grunde sind unsere Faszien sehr strukturiert angeordnet. Lassen wir nun dieses Gewebe verkümmern und beanspruchen es nicht entsprechend, dann verfilzt es. Die gitterförmige Struktur geht verloren und wir fühlen uns weniger beweglich. Durch Yin Yoga lässt sich diese natürliche und gesunde Faszien Struktur wiederherstellen, der Bewegungsradius erweitern und wir fühlen uns innerlich frei und geöffnet.

Zusammenfassung

  • Funktionale Anatomie steht im Yin Yoga im Vordergrund: Die Frage lautet nicht “Wie sieht die Haltung aus?”, sondern “Wie fühlt sie sich für dich an?”
  • Im Yin Yoga wollen wir das Gewebe im Zielbereich “stressen”. Dazu ist es egal, wie die Haltung von außen aussieht.
  • Aufgrund unserer Knochenstruktur fallen und manche Haltungen leichter, andere schwerer. So lassen sich manche Haltungen auch mit viel Übung nicht einnehmen, da es körperlich schlicht nicht möglich ist.
  • Unser Bindegewebe ist ein faseriges Gewebe, das Knochen, Fettgewebe, Sehnen, Faszien, Blut, Knorpelgewebe und Bänder umfasst. 
  • Faszien sind eine Schicht im Körper, die alles umschließt und verbindet. Sie dienen als Band.
  • Unsere Faszien benötigen einerseits Druck und andererseits Dehnung, um gesund zu bleiben.

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